Kunstpädagogik und Kunstdidaktik an der Universität Potsdam

Universität Potsdam

Workshop: „Klassismus und Kunstpädagogik“

Erfahrungsbericht

Workshop Klassismus und Kunstpädagogik | Norbert Witzgall und Antje Winkler am 17.6.2024

Uni Potsdam, 21.7.2024

Wir alle begegnen den Auswirkungen von klassistischen Umständen in alltäglichen Situationen. Vor allem im Kontext Schule kann es zu starken Differenzen und Ungleichberechtigung innerhalb der Peergroups kommen. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, zukünftige Lehrkräfte zu sensibilisieren und auf klassistische Ungleichheiten aufmerksam zu machen. Das Blockseminar, welches am 17. Juni von Dr.in Antje Winkler und Norbert Witzgall als Gastdozent der UdK Berlin gehalten wurde, richtet einen gezielten Fokus auf die genannte Thematik und stellt dabei ein gemeinsames Erleben und den gegenseitigen Austausch ins Zentrum der Veranstaltung.

Einsteigend in das Seminar wird das Rollenspiel „Ein Schritt nach vorn“ durchgeführt. Dabei wurden den Teilnehmenden unterschiedliche Rollen zugeteilt. Von der Position der Tochter eines Bankdirektors, über eine 24-jährige geflüchtete Frau aus Afghanistan bis zu einer Soldatin bei der Bundeswehr waren umfassende Persönlichkeiten vertreten. Von der eigenen gesellschaftlichen Position ausgehend, bekamen die Studierenden somit die Möglichkeit sich in eine für sie vielleicht neue Sichtweise hineinzuversetzen. In dieser Rolle verharrend, wurden den Teilnehmer*innen verschiedene Aussagen vorgelesen, auf welche sie entweder zustimmend mit einem Schritt nach vorn oder widersprechend durch einen Schritt zurück reagieren konnten. Nach diesem ersten Teil der Übung, sollten die Studierenden ihre neu gewonnenen Eindrücke und Emotionen in kurzen Skizzen festhalten. Dabei konzentrierten sich die Student*innen voll auf die Übung. Aus den entstandenen Skizzen ließ sich ableiten, dass sie individuelle emotionale Einblicke in das Empfinden unterschiedlicher Lebensumstände erhalten konnten. Dieser Sichtwechsel ermöglichte den Seminarteilnehmer*innen ein persönliches Erleben von den Auswirkungen des Klassismus in verschiedenen Lebenslagen und stellte somit einen individuell berührenden Einstieg in die Thematik der Veranstaltung dar.

Angelehnt an das Hörstück „Classism is a heartbreaker“ (https://klassenfragen.de/filme-sound/) erstellten die Studierende eigene Hör-Pieces. Dabei ging es um das Aufnehmen von prägnanten Aussagen, welche klassistische Missstände aufzeigen und diese durch Töne und Klänge zu untermalen. Inspiriert von den eigenen biographischen Erlebnissen, verfassten die Studierenden individuelle Statements. Diese sollten als Audiodatei festgehalten werden und somit ein gemeinsames Werk ergeben. Das daraus entstandene Hörstück transportiert emotionsgeladene Stimmen, welche die Zuhörenden durch Individualität und Gefühle direkt ansprechen.

Nach einer Pause hielt Norbert Witzgall einen Vortrag und lieferte Einblicke in die Ausstellung „Class Issues – art production in and out of precarity“, welche von November 2022 bis Januar 2023 in der Berlinischen Galerie vorzufinden war. Die fünf Ausstellungskapitel thematisierten unterschiedlichste Zweige klassistischer Diskriminierung und daraus resultierende Hürden. Obwohl dieser eine ruhige Atmosphäre mit sich brachte, ist er in seinem Informationsgehalt für die folgende Übung von den Studierenden als wertvoll aufgenommen worden. Der Vortrag mündete in „Silke’s Übung“. Dabei wurden die Studierenden aufgefordert, eine Hürde oder Begrenzung zu skizzieren und diese dann an die/ den jeweilige*n Nachbar*in weiterzugeben. Daraufhin beinhaltet die nächste Aufgabe eine zeichnerische Überwindung dieser Hürde. Im darauffolgenden Gespräch äußerten die Studierenden den positiven Eindruck der Übung. Einige waren überrascht und beeindruckt von der zeichnerischen Überwindung der eigenen Hürde und den von den eigenen Ideen abweichenden Umsetzungen. Somit wurden tiefgreifende Denkanstöße geliefert, welche zu vielfältigen Überlegungen für einen effektiven Austausch hinleiteten. Anstatt die vorliegende Hürde als ausweglos und hindert wahrzunehmen, wurden die Studierenden bestärkt, diese zu hinterfragen, zu dekonstruieren und zu überwinden.

Weiterhin stellte Norbert Witzgall sein Unterrichtsprojekt vor, in welchem sich Schüler*innen mit dem thematischen Schwerpunkt des Klassismus künstlerisch auslebten. Die Seminarteilnehmenden fokussierten sich jeweils zu zweit auf eine Schüler*innenarbeit und gingen in der Übung „Zoom-In“ auf folgende Fragen ein: Was sehen Sie? Wie wurde das Motiv umgesetzt? Wie lautet die gegebene Aufgabenstellung? Warum haben die S*S das Thema Klassismus auf diese Weise umgesetzt?

Im gemeinsamen Gespräch gaben die Studierenden ihre Eindrücke wieder und stellten dabei deutlich den Interpretationsspielraum im Hinblick auf biographische Angaben der Schüler*innen heraus. Während einige Werke im Sinne der vorliegenden Schüler*innen-Statements wahrgenommen wurden, lieferten andere noch weitaus mehr Interpretationspotential. Dabei ist es zu einem wertvollen Gespräch über Gefühle der Ohnmacht und Machtlosigkeit gekommen, welche im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen herausgestellt wurden. Die gegenseitige Bestärkung und der Perspektivwechsel durch die anderen Studierenden ermöglichten letztendlich ein Gefühl des Zusammenhaltes, welches durch die Aussage „Nicht nur Männer erstarken durch Adrenalin“ bestärkt wurde. Weiterführend wurden auf der Grundlage der Werke im direkten Bezug auf Klassismus Thesen aufgestellt und Diskussionen geführt.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Workshop aufschlussreiche Einblicke und ein Zoom-out aus den eigenen Kreisen und gesellschaftlichen Standpunkten ermöglichte. Die Teilnehmer*innen gaben diese Wertschätzung an die Veranstalter*innen zurück und äußerten vor allem eine Dankbarkeit gegenüber den Erfahrungen aus den gemeinsamen Übungen. Darüber hinaus empfanden sie diese als gute exemplarische Vorgehensweisen, wie die Thematik des Klassismus in den Schulunterricht eingebettet werden kann.

Antje Winkler, 08.10.2024
Interventionen, Klassismus und Kunstunterricht, Projekte